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Chrysalide, 5. Rang, 2. Ankauf

Das meint die Jury - der Bericht

In Volumetrie und Struktur wird ein grosszügiger, gegen Südost hin aufsteigender, Gebäudekörper mit  klarer Systematik und prägnanter Orthogonalität aufgebaut. Die Fernwirkung zum Bremgartenfriedhof basiert auf der stufenweisen Erweiterung in Grundriss und Vertikale mit zwei klar lesbaren Körperfugen auf beiden Längsfassaden. Das Gebäude wirkt bezüglich horizontaler und vertikaler Gestaltungsstruktur ausgewogen, hochwertig und identitätsstiftend. Volumetrie und Körnung wirken insgesamt verträglich, verletzen jedoch die Schlankheitsregel.

Das Erscheinungsbild des Neubaus bezieht sich auf das südlich angrenzende und orthogonal sowie sich in die Höhe entwickelnde Gesamtareal hin. Das neue, eigenständige «Stadthaus» orientiert sich damit viel mehr am Kontext des zukünftigen und imposanten Insel-Quartiers und viel weniger am bereits gebauten Nachbargebäude, oder der konischen Baufeldgeometrie und geschwungenen Friedbühlstrasse. In der Folge entsteht entlang der Friedbühlstrasse und Gebietsgrenze eine räumlich und gestalterisch heterogene Strassenfront und ein eher unzusammenhängender Quartierrand, was kritisch beurteilt wird. Die  Fassade zum Pocket-Park wirkt insgesamt massiv und wandartig, etwas gemildert durch die gestalterische  Gliederung und die willkommene Eingangssituation vis-à-vis des offenen Grünraums.

Die Logik der Eingangssituationen an beiden Längsseiten und das Erschliessungssystem mit zentraler und prägender Treppenanlage überzeugt, schafft Orientierung und Grosszügigkeit im Gebäudeinneren und entlastet mit der Konzeption des Piano Nobile im ersten Obergeschoss das Stadtniveau zur Friedbühlstrasse bezüglich der inneren Wegbeziehungen. Die grosszügige Foyerfläche im Erdgeschoss kann jedoch durch die Distanz zu den öffentlichen Nutzungen (im darüberliegenden Geschoss) nicht wie erwünscht genutzt werden. Die prägnante Eingangssituation zum Pocket-Park ist beachtenswert. Aber deren funktionale Eingangsräumlichkeiten sind viel zu klein (Beispiel fehlender Windfang). Fraglich bleibt auch die zurückhaltende Adressbildung zur Friedbühlstrasse und der Versuch mittels Vordach entlang der ganzen nordwestlichen Längsseite eine Art zusammenhängenden und spürbaren Sockel auszubilden. Das Erschliessungssystem erfüllt nicht überall die Brandschutzanforderungen.

Das Tragwerk ist als Skelettbau mit Ortbetondecken, Stützen und aussteifenden Kernen weitestgehend schlüssig und wirtschaftlich konzipiert. Mit einem konsequent durchlaufenden Stützenraster erfolgt ein  direkter Lastabtrag ohne Abfangungen, allerdings mit gewissen Konflikten im Nutzungslayout. Die  Machbarkeit der Überbauung des Photonengebäudes sowie der schlanken freitragenden Treppenläufe müsste noch nachgewiesen werden.

Fassadengestaltung und -materialisierung sind in ihren Ansätzen plausibel. Wo Labor-Längswände entlang der Fassade liegen, sind diese jedoch zwingend geschlossen auszuführen, was sich nachteilig auf die Gesamterscheinung auswirkt. Die gestalterische Differenzierung in der Fassadengestaltung als Antwort auf die Sockelthematik des Masterplans ist erkannt, wird aber kontrovers diskutiert.

Die Vorlandgestaltung zur Friedbühlstrasse wirkt urban, aber wenig attraktiv und die Einfahrt zur Tiefgarage liegt ausserhalb des  zulässigen Bereichs. Das Vordach wäre nicht auf der ganzen Länge bewilligbar. Die Gebäudestruktur und Raumgliederung im Inneren ist wohltuend systematisch und klar aufgebaut. Das grosszügige Atrium mit den Haupttreppen vermittelt den Eindruck von vielen verschiedenen Instituten unter einem Dach und bietet attraktive Institutsadressen, wobei die richtige Verortung der öffentlich zugänglichen Räume noch zu klären ist (Cluster Begleitnutzungen). Die dreibündige Gliederung mit zwei Kernen und zahlreichen willkommenen Ausblicken wirkt zunächst klar und wohltuend übersichtlich. Die Querkorridore im Regelgeschoss zonieren und die Ausblicke nach Norden unterstützen die Orientierung im Gebäude.

Die Gebäudestruktur schafft bei näherer Betrachtung jedoch auf dem Regelgeschoss teilweise zu starke  Zäsuren und räumliche Zwänge. So muss innerhalb eines Instituts mehrfach gebadged werden. Der Nutzen der vielen Foyerflächen - an sich interessant aber oft zu schlauchartig - wird ebenso hinterfragt wie die kompromissbehaftete Aufteilung der Räume auf die Regelgeschosse. Die Mittelzone weist unterschiedliche Tiefen von rund 15 m, 9 m und 3 m aus, was als wesentlicher Nachteil angesehen wird. Die Labore haben eine gute Raumtiefe und erlauben interne Schreibarbeitsplätze oder eine abgetrennte Raumschicht. Die innenliegenden Geräteräume weisen sehr unterschiedliche Grössen aus und ergeben daher keine gleichwertigen Arbeitsbereiche. Die Schächte liegen an geeigneter Position, sind aber tendenziell etwas zu klein bemessen. Gewisse Bereiche sind nur indirekt über die grosse Treppe, respektive nur über Nebentreppen, erreichbar.

Der Vorschlag interessiert in zahlreichen Ansätzen, vermag aber seine Versprechen insgesamt nicht  einzulösen. Das «Prinzip des Ansteigens» als Leitidee ist denkbar, aber vor allem auch im Inneren zu wenig überzeugend umgesetzt.

Verfasserteam

Architektur / Gesamtleitung
ARGE STUDIOPEZ GmbH, Basel
NYX Architectes GmbH, Zürich

Bauingenieur
INGENI AG, Zürich

HLKK-Ingenieur
EBP Schweiz AG, Zürich

Laborplaner
Laborplaner Tonelli AG, Gelterkinden

Tierlaborplaner
H+S consultenten Schweiz GmbH, Zürich

  • Chrysalide Abgabepläne

Sämtliche Texte, Visualisierungen, Pläne und Schemas sind Bestandteil des Originalprojekts und bilden die Meinung des Verfasserteams ab.

 

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